
2.August 2023, 18:00 Uhr - 19:30 Uhr
Künstlergespräch mit Juergen Staack
FinissageJuergen Staack arbeitet mit sehr unterschiedlichen künstlerischen Medien: Fotografie, Sprache, Klang, Performance, Installation und künstlicher Intelligenz. Viele seiner Arbeiten, auch in der Ausstellung im Marburger Kunstverein, verwenden partizipative und interaktive Elemente. Ihn interessieren die Komplexität menschlicher Beziehungen sowie die Fragen nach der Entstehung von Bildern und nach dem Verhältnis von Sprache, Imagination und Bild.
Die Serie V1S1ON entstand mithilfe eines KI-Bildgenerators. Drei von den hier gezeigten erinnern an bekannte, geradezu ikonische Gemälde von Caspar David Friedrich – hätte der Maler Polaroids von den Kreidefelsen auf Rügen (1818), dem Felsenriff am Meeresstrand (1824) und einer Winterlandschaft (1811) gemacht und danach seine Bilder gemalt, wenn er die Möglichkeit dazu gehabt hätte? Oder sähen so seine Bilder aus, wenn er im 21. Jahrhundert gelebt und KI-Bildgeneratoren zur Verfügung gehabt hätte? Wie ist unsere Vorstellungswelt von der uns umgebenden Realität und den Medien geprägt?
Für Fotografen ist der Moiré-Effekt nicht erwünscht. Es ist ein Fehler, den es zu vermeiden gilt. Diese Aberration tritt dann auf, wenn etwa bei Linien oder Punkten der Detailgrad zu hoch ist für die Auflösung des Bildsensors und die Kamera dann ein welliges Muster erzeugt. Juergen Staack verleiht in seinen Leuchtpaneelen diesem Fehler Bildwürde und erzeugt durch übereinanderliegende Stoffe abstrakte Moiré-Bilder in schillernder Farbigkeit von geradezu betörender Schönheit.
Durch akustische Wahrnehmungen können bildliche Vorstellungen entstehen: Wenn wir auf dem hellen weichen Teppich unter den von der Decke hängenden Lautsprechern schreiten, meinen wir, selbst durch Wüstensand zu gehen – doch es war der Künstler, der seine Schritte und den Wind beim Wandern auf einem Kamm der höchsten Düne der Wüste Gobi mit einem Mikrofon aufgenommen hat. Der Klang wechselt von einem Lautsprecher zum anderen, so als gingen wir einer nicht sichtbaren Person hinterher. Michael Stoeber schrieb für eine Ausstellungskritik im Kunstforum 2019: „Das Werk verkehrt Innen und Außen und katapultiert uns aus dem Stand ins Abenteuer.“ Zu diesem Projekt gehört auch die Performance AIR, die wir im Video ansehen können: Juergen läuft mit einer Ballonhülle auf einer Düne nahe der chinesischen Grenze, füllt sie mit mongolischem Wind und entlässt sie in die Luft, so dass sie ins Nachbarland fliegt.
Grenzüberschreitend ist auch seine Arbeit „Communication Model 01 Calling, als Idee 2006 entstanden und 2012 realisiert, eine Telefonzelle mit funktionierendem Münzfernsprecher, der von den Besucherinnen und Besuchern der Ausstellung benutzt werden kann.
Peter Friese schrieb 2017: „Staack geht es in seiner künstlerischen Arbeit aber nicht nur um die Fragen: Was ist ein Bild? Was macht ein Bild aus? Wie, wann und wo entsteht es? Sondern auch: Welchen Stellenwert bekommt ein Bild in einer Welt, die geprägt ist von visuellen Reizen?“