26.August 2022 - 23.September 2022

Matthias Schamp TROCKENLEGEN

Ausstellung

Auf den ersten Blick erscheint die Installation des Bochumer Künstlers Matthias Schamp brachial. Aggregate und Maschinen verstellen das Foyer, Schläuche, Rotoren, Abdeckfolien und Fässer. Es dröhnt. Ventilatoren wirbeln Luft auf und es herrscht ein Raumklima, das an ein Tropenhaus erinnert…

Und doch ist das Vorgehen des Künstlers im Grunde subtil. Denn er nutzt in produktiver und sinnstiftender Weise einen Umstand, der auch als Handikap empfunden werden könnte: Wegen eines Lecks in der Heizungsanlage, welches jahrelang unentdeckt geblieben war, waren Renovierungsarbeiten im Marburger Kunstverein notwendig geworden. Der Künstler, der sich oft mit vorgefundenen Situationen beschäftigt, an diese andockt, um sie mittels diskreter oder manchmal auch gar nicht so diskreter Eingriffe zu transformieren, macht die unerlässlichen Baumaßnahmen in Abstimmung mit der Baufirma zu Bestandteilen einer raumgreifenden Installation. Die wuchtige Komposition aus Apparaten, Schläuchen, Kabeltrommeln und Kabel entfaltet dabei eine plastische Präsenz von hohem ästhetischem Reiz. Wesentliche Bestandteile dieser den kompletten Raum erfüllenden Arbeit sind zudem im Unsichtbaren verortet. Verdunstung, Wärme, Luftzirkulation, Raumklima, in den Wänden und im Boden verborgene Wasserkreisläufe. Der Besucher wird einer Situation ausgesetzt, die ihn total ergreift. Die Wahrnehmung erfolgt dabei nicht nur mittels Augen und Ohren, sondern zugleich auch mit der Haut, auf der sich Feuchtigkeit niederschlägt. Mit seinen Atmungsorganen koppelt er sich an die Vorgänge im Ausstellungsraum an und wird damit selber zur Komponente.

Die Besucher bewegen sich auf dem gefliesten Grund, in den die Schläuche ein- und aus dem sie auch wieder auftauchen. Unter den Füßen Wasser, das mittels Heißluftgebläsen hervorgeholt und in Entfeuchtern gesammelt wird. Diese werden täglich geleert, was zu einer stets wachsenden Anzahl von Fässern und Kanistern im Ausstellungsraum führt. Das Wasser ist ein zentraler Bestandteil der Installation, die nicht nur technische Prozesse aufgreift, sondern sie zugleich poetisch auflädt und umdeutet. „Reality Support“ ist ein Motto des Künstlers. Diesem Zweck dienen u. a. auch Wandreliefs mit Wellrohren und ein speziell gestaltetes Aquarium, welches mit dem Kunstvereins-Wasser gefüllt nun als Raum im Raum eine eigene Lebenssphäre bildet.

Die Zurschaustellung des Wassers erhält in einer Zeit mangelnder Niederschläge, Klimaerwärmung und dem Austrocknen von Gewässern eine zusätzliche Bedeutungsdimension. Zum Abschluss der Ausstellung wird das gesammelte Wasser mittels einer öffentlichen Prozession, an der sich jeder beteiligen kann, zum Lahnufer getragen und dort dem Fluss überantwortet. Von der Lahn aus fließt das Wasser in den Rhein. Und danach ins Meer. Auf diese Weise erfährt der Marburger Kunstverein mittels dem aus seinem Grund geschöpften Wassers eine wunderbare Erweiterung.

 

Einladungskarte_Matthias Schamp_TROCKENLEGEN

Eröffnung: Freitag, 26. August 2022, 18 Uhr

Ausstellungsdauer: bis 23. September 2022

aktuelle Öffnungszeiten: Di bis So 13-17 Uhr / Mi 13-18 Uhr

Abschlussaktion: Freitag, 23. September 2022, 18 Uhr

Der Marburger Kunstverein dankt der Stiftung Kunstfonds für die Förderung der Ausstellung im Rahmen des Sonderförderprogramms 20/21 NEUSTART KULTUR – Förderung von Kunstvereinen.

 

Matthias Schamp – VITA

1964 geboren, aufgewachsen in Krefeld, Arbeit als Künstler und Autor; Einzel- und Gruppenausstellungen, Aktionen und Projekte u. a. Skulpturenmuseum Glaskasten Marl, Ludwig Forum für internationale Kunst Aachen, Kunstmuseum Mülheim/Ruhr, Goethe Institut Litauen; Lehraufträge (u. a. Bauhaus-Universität Weimar, TU Berlin, Universität Köln); Schöpfer der Serie „Schlechte Verstecke“ im Satire Magazin Titanic; zahlreiche Veröffentlichungen u. a. „Der Aufstand in den Sinnscheiße-Bergwerken (WDR-Hörspiel)

vollständige Biographie unter: http://www.der-schamp.de/Part1/1Vita/01Allgemein.html